Älteste Dorfbewohnerin Serkenrodes erzählt
Von Friedhelm Tomba
Weihnachten: Geburt Christi, Familienfest, Geschenkeflut oder einfach nur Ruhe antun und gutes Essen? Die Feiertage haben viele Gesichter. Maria Koch blickt zurück auf ein langes Leben und stellt kurz und passend fest: „Weihnachten ist wunderschön.“

Foto: Friedhelm Tomba
Die rüstige Seniorin muss es wissen; hat sie doch bereits 100 Heilige Abende erlebt. Hundert lange Lebensjahre konnten der Vorfreude auf Weihnachten nichts anhaben. „Doch“, so erzählt die Frau, die es nach ihrer Heirat mit Alois Koch 1952 aus der Westfälischen Bucht nach Fretterspring ins obere Frettertal verschlug, „früher war alles etwas anders…“
Maria Koch wuchs mit sieben Geschwistern auf einem Bauernhof in Mastholte (Kreis Gütersloh) auf. „Die Weihnachtszeit begann mit leckeren Plätzchen, wir backten wie verrückt. In der Adventszeit wurden dann einige Plätzchen abends auf die Fensterbank gelegt. Wenn die dann am anderen Morgen verschwunden waren, gab es den ersehnten ersten Beweis, dass das Christkind schon nahe bei uns war, bereits ums Haus flog und in die Wohnstuben geguckt hatte.“
Ein weiteres Ritual prägte Kindheit und Jugend im großen Familienkreis. Das war mit dem Gedenktag des Heiligen Thomas am 21. Dezember verbunden. „Wer an diesem Tag als letzter aufstand, wurde zum Thomas-Esel erklärt.“ Maria Koch weiß noch, was dem „Thomas-Esel“ im Reim vorgehalten wurde: „Thomas-Esel kann nicht lesen und nicht schreiben – muss bis Ostern in der Schulte bleiben.“ Ihr kleiner Bruder Antonius wollte damit nichts zu tun haben und blieb vorsichtshalber die ganze Nacht wach. „Er hat sich abends in die gute Stube gesetzt und darauf gewartet, dass es hell wird und somit auf keinen Fall Gefahr läuft, am Morgen als letzter aufzustehen. Aber das übernahm meistes unser Opa im Haus. Der blieb extra lange im Bett liegen und hat uns Kindern dadurch oft den „Thomas-Esel“ erspart.“
Am Heiligen Abend standen alle früh auf. Vor der Christmesse, die damals nicht erst am Abend sondern um bereits um 8 Uhr morgens stattfand, mussten die Tiere im Stall versorgt werden. „Da packten alle aus der Familie mit an. Die Tiere bekamen an dem Tag immer eine extra Portion Futter und die Pferde sogar etwas Süßes.“
Maria Kochs Patentante musste mit ihrem Mann und den zwölf Kindern noch viel früher aufstehen. „Die wohnten etwa zwei Kilometer entfernt und kamen am 24. Dezember immer mit der Kutsche zu uns gefahren. Vorher mussten die auch in aller Herrgottsfrühe ihr Vieh versorgen.“
Nach dem Kirchgang trafen sich die Familien in der guten Stube. „Alles war festlich gedeckt. Meine Schwester Katharina war unheimlich kreativ und hatte für alle kleine Geschenke organisiert und für ein jeden ein individuelles Gedicht verfasst. Es war einfach schön“, lautet das Fazit von Jemanden, der seit 1925 Gast auf Erden ist. Nach dem ausgiebigen Frühstück reiste der Besuch wieder ab und Familie Schröder bereitete das Mittagessen vor.
„Der Weihnachtsbaum stand mitten in der Stube, war mit viel Lametta behangen und es brannten echte Kerzen. Wir Kinder spielten oder sangen Weihnachtslieder. Dabei roch es aus der Küche herrlich nach Braten. Es war einfach toll.“
Toll war es auch später nach ihrer Heirat und Umzug auf dem Bauernhof der Familie Koch in Fretterspring, oberhalb von Fehrenbracht. Dort, direkt einsam an der Grenze zwischen dem Kreis Olpe und dem Hochsauerlandkreis auf 500 Höhenmetern gelegen, war ihr Mann Alois zu Hause. Den hatte sie als Maria Schröder in Kallenhardt (Kreis Soest) kennen und lieben gelernt. „Ich war dort zur Küchenausbildung und Alois ging dort auf die Schule.“ Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, die ebenfalls mit viel weihnachtlichen Bräuchen groß wurden.
„Am Heiligen Abend legten unsere Kinder Heu, Hafer und Wasser für das Eselchen in den Stallungen bereit. Das Christkind kam ja mit einem Esel!“ Nachhaltiger Beweis für die Ankunft des himmlischen Kindes, waren dann die Hinterlassenschaften aus dem Verdauungssystems des (vermeidlichen) Esels. „Alois legte heimlich Kuhmist am Eingang zum Stall aus. Die Kinder gingen immer wieder in den Stall und konnten es kaum abwarten, dass das Esselchen sein Häufchen gemacht hatte.“
Doch damit nicht genug der „Dramatik“: Über den Bauernhof war ein langes Seil mit einer Glocke gespannt. „Wenn Alois das dritte Mal unauffällig an das Glöckchen schlug, war allen klar, dass das Christkind unsern Hof in Richtung Wald verlassen hatte. Nun durften die endlich Kinder in die Stube zu den Geschenken.“
Wie einst im Elternhaus in Mastholte, wurden auch in Fretterspring oft und gerne Weihnachtslieder gesungen. „Mein Mann spielte dazu auf der Ziehharmonika.“
Und heute? Wie feiert Maria Koch heute Weihnachten? „Das Zusammensein mit der Familie ist das Wichtigste.“ Die 100jährige Frau lebt heute bei ihrer Tochter Annette Kathol und Familie in Serkenrode. „Ich persönlich bin wunschlos glücklich. Wenn ich mir aber etwas wünschen darf, dann ist es Frieden in der Welt. Es kann doch nicht sein, das alles kaputt geschossen wird. Warum tun Menschen so etwas?“
„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“ (Lukas 2,14),


