55 Jahre Vogelbauer: Geheimnis Sollbruchstelle

Text&Fotos: Von Friedhelm Tomba

Eine Sollbruchstelle ist ein Bauteil eines Gesamtsystems, das bei Überlastung zerstört wird und dadurch größere Schäden verhindert. Wer mit der Antwort von „Wikipedia“ nichts anfangen kann, sollte bei Paul Geueke in die Lehre gehen. Der 84jährige Schreinermeister hat Sollbruchstellen für ein seltenes, aber gefragtes Handwerk 55 Jahre geschickt ausgenutzt. Paul Geueke ist seit 1962 für den Bau der Schützenvögel in Serkenrode zuständig. Damit der Kampf unter der Vogelstange nicht ins Unendliche geht, hat der pfiffige Schreiner die Vorteile konstruktiver Technik frühschoppenfreundlich umgesetzt.

„Das Schützenfest darf nicht unter der Vogelstange stattfinden, das fröhliche Zusammensein gehört in die Festhalle.“ Damit das Szenario beim Aar zerlegen flugs über die Bühne geht, kam Paul Geueke auf die Idee, Sollbruchstellen einzubauen. „Die sieht man aber nicht, ist alles gut mit Leim überzogen. Wo genau die Stellen sind, weiß keiner. Das Geheimnis nehme ich mit ins Grab.“ 70 bis 80 Schuss halten Geuekes Vögel aus – dann wird es kritisch. Zum Wohle der Allgemeinheit. Neben dem obligatorischen Schützenvogel gilt es auch für die Jungschützen ein hölzernes Wappentier anzufertigen. Und wenn ein Kaiser ausgeschossen wird, entstehen in der Werkstadt drei Vögel. „Zuerst suche ich weiches Fichtenholz, das schichtweise aufeinander geleimt wird. Dabei gilt es genau Vorschriften zu beachten.“ Ein Nagel darf dabei keine Verwendung finden; auch die Größe der symbolträchtigen Vögel ist genau vorgeschrieben. Nach 26 Stunden echter Handarbeit und zweistündiger Malerei ist alles über die Bühne gegangen. „Das Schwierigste sind Flügel, Füße und Krone. Für den Reichsapfel habe ich mir mit einem Trick ausgeholfen, da habe ich einen Tennisball für genommen.“ 1973 machte sich Paul Geueke selbst zum Schützenkönig – natürlich nach einem fairen Kampf. Zur Kaiserwürde kam er 2003 – da legte er sein ganzes „Know How“ in die Waagschale. „Da hatte ein Anwärter schwer über unseren Geistlichen hergezogen und massiv beleidigt. Das macht man nicht. Beim Kaiserschießen war der dann nach mit dran. Da habe ich zu mir gesagt: Männeken – Der bekommt ihn nicht und habe den Vogel selbst abgeschossen.“ Vorteil Schreiner. Paul Geueke hat auch als Schießmeister der St. Johannes Schützenbruderschaft vereinstreue Spuren hinterlassen. Gemeinsam mit Josef Schmidt („Vollmers“) legte 40 Jahre Jahre lang montags morgen die Patronen in die Gewehre. Die aktuellen Schützenvögel mit den „geheimnisvollen Sollbruchstellen“ befinden sich bei Schützenkönig Udo Arens. Wenn die in wenigen Tagen zerlegt sind, endet die Vogelbauerzeit von Paul Geueke. „55 Jahre sind genug.“ Der Tüftler i.R. wird das Szenario des Vogelschießens im Dorf und Umgebung weiter mit Argusaugen begleiten. „Da gibt es manchmal Fehler zu entdecken. So gehört der Reichsapfel immer in den rechten und das Zepter in den linken Fuß.“ Gelernt ist gelernt.

Foto: Die letzten zwei Wappentiere sind gebaut: Vogelbauer Paul Geueke übergab Schützenkönig Udo Arens die Objekte des Abschuss und geht nun in den (Schützen) Ruhestand